Am 06. Juni 2024 fand unser 9. Netzwerktreffen statt. Unter dem Motto „Biodiversität – Schutz durch Nutzung“ hatte das Kernteam des „Netzwerks Nachhaltigkeit in der Wirtschaft“ in den Bienenlehrgarten des Imkervereins „Unstruttal Nebra und Umgebung“ in Nebra eingeladen, um zu erörtern, inwieweit Naturschutz und die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse in Einklang gebracht werden können.
Hintergrund für die Veranstaltung war, dass Naturschutzgebiete oft kontrovers diskutiert werden. Sollen neue Gebiete unter Schutz gestellt werden, löst das bei den dort ansässigen Menschen und Unternehmen durchaus Besorgnis aus. Für das Ziel der Vereinten Nationen, bis zum Jahr 2030 mindestens 30 Prozent der weltweiten Ökosysteme unter Schutz zu stellen, wäre das allerdings notwendig. Das „Netzwerk Nachhaltigkeit in der Wirtschaft“ vertritt die Ansicht, dass das kein Gegensatz sein muss und setzt sich für einen respektvollen Umgang mit der Natur und dem Menschen ein.
Die 20 anwesenden Gäste konnten zunächst in der herrlichen Anlage des Bienenlehrgartens einen Mittagsimbiss genießen und kamen darüber ins Gespräch, wie erhaltenswert die einzigartige Kulturlandschaft der Saale-Unstrut-Region ist.
Eröffnet wurde der Nachmittag von unserer Netzwerksprecherin, Dr. Sophie Kühling, mit einem Zitat des Naturforschers Carl von Linné: „In den kleinen Dingen zeigt die Natur die allergrößten Wunder.“. Dazu gehören selbstverständlich Bienen sowie das Engagement des hiesigen Imkervereins, welches beispielhaft zeigt, wie durch regionale Aktionen zu einer lebenswerten Umwelt beigetragen werden kann.
Dr. Kühling betonte auch die Notwendigkeit der sektorübergreifenden Zusammenarbeit, wie sie im Netzwerk mit Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung und Zivilgesellschaft gelebt wird. Zum einen, um die verschiedenen Welten in den Austausch zu bringen, zum anderen, um passende Partner zu finden. Nur selten kann einer allein eine nachhaltige Lösung realisieren. Ziel der Veranstaltung ist es, insbesondere die Nutzungsperspektive beim Thema biologische Vielfalt zu beleuchten. Denn auch wenn die Natur an sich schützenswert ist, so ist es im Alltag meist so, dass man vor allem das, was man auch nutzt, kennt und in der Regel schätzt. Dann ist die Motivation, dies auch zu schützen, größer.
Anschließend stellte Sven Sommer, Vorsitzender des Imkervereins und als Vertreter der Handwerkskammer Halle (Saale) auch im Kernteam des Netzwerkes, unsere Gastgeber vor. Bereits zu DDR-Zeiten hatte man sich in Nebra und Umgebung der Imkerei gewidmet. Heute nimmt man im Bereich der Neuimkerkurse eine Schlüsselrolle in Sachsen-Anhalt ein. Seit 2004 betreibt der Imkerverein „Unstruttal Nebra und Umgebung“ den Bienenlehrgarten, dessen Ziel es neben der Nachwuchsgewinnung ist, Bildungsformate insbesondere für Kinder und Jugendliche anzubieten. Davon wird rege Gebrauch gemacht.
Es folgten Vorstellungen regionaler Unternehmer:
Karsten Hey stellte das regionale Netzwerk „Handgemacht Saale-Unstrut“ vor, ein Projekt des Saale-Unstrut-Tourismus e.V.. Hier wird traditionelles Handwerk, ökologische Landwirtschaft und der Kreativbereich mit Erlebnisangeboten verknüpft, um eine regionale Identität unter Einbeziehung lokaler Wirtschaftskreisläufe zu entwickeln. Die derzeit 50 Netzwerkpartner (davon 44 in Sachsen-Anhalt und 6 in Thüringen) werden mittels Veranstaltungen bei der Vermarktung unterstützt, zum Austausch und Wissenstransfer angeregt und die Nachhaltigkeit durch Kooperation untereinander verstärkt.
So wird beispielsweise die Bäckerei „Sommerwerk“ durch die Belieferung mit regionalen Rohstoffen unterstützt. Gleichzeitig ist der Bäcker im Dorf oftmals ein Ort der Kommunikation, an dem auch nach der Herkunft der Produkte gefragt wird. Netzwerkpartner setzen sich u. a. für den Natur- und Artenschutz ein, etwa durch Landschaftspflege wie ihn der „Schafhof Eric Peter“ oder die Cider-Manufaktur „Trinkender Zobel“ betreiben. Letztere nutzt Streuobstwiesen, um ein ökologisches Gleichgewicht herzustellen. Die zentrale Herausforderung von „Handgemacht Saale-Unstrut“ ist es, die regionalen Produkte zentral zu vermarkten und vernetzte Lieferketten aufzubauen. Von der Qualität der Produkte konnten sich die Teilnehmer des Netzwerktreffens anhand einiger mitgebrachter Erzeugnisse wie der Kürbiskerne von Landwirt Reinhard oder des Zuckerwerks vom „Bonbonmann“ aus Zeitz überzeugen.
Als nächstes sprach Christian Hodel von „Liederstädter – Das Original“. Der Ein-Mann-Betrieb ist ebenfalls Mitglied bei „Handgemacht Saale-Unstrut“. Seit zehn Jahren stellt Herr Hodel aus Leidenschaft Liköre her. Verarbeitet werden ausschließlich regionale Rohstoffe nach selbst entwickelten Rezepten. Künstliche Aromen und Farben werden nicht verwendet. Mittlerweile kann Herr Hodel von seiner Tätigkeit leben, steht aber in Konkurrenz zur Massenindustrie. Dennoch soll das Unternehmen nicht zu sehr expandieren, denn ab einem gewissen Punkt geht die Naturbelassenheit im Anbau verloren. Als verantwortungsbewusster Unternehmer möchte er auch die Region stärken, zum Beispiel durch Marketingprodukte für Städte wie Merseburg, Nebra oder Bad Sulza, für die er einen Sole-Likör produziere.
Grundlage für die Herstellung des Liederstädter Likörs ist ein vielfältiger Anbau. So hat Herr Hodel verschiedene Obstbäume, Blumen und Nadelgehölze in seinem Garten, die er je nach Jahreszeit und Erntemenge verarbeitet. Teilweise kauft er auch bei regionalen Obsthöfen zu oder pachtet Obstbäume im Geo-Naturpark. Die größte Herausforderung gerade für einen Ein-Mann-Betrieb ist die Bürokratie. Hier findet er Unterstützung in Netzwerken wie „Handgemacht Saale-Unstrut“.
Herr Hodel wünscht sich, dass kleine nachhaltige Beispiele wie das seine von den Kammern stärker kommuniziert und unterstützt werden, was in der anschließenden Diskussion von den Teilnehmern befürwortet wurde. Auch die Direktvermarktung sollte gestärkt werden. Hier gibt es viele Möglichkeiten. Die IHK setzt das zum Teil bereits um, wie bei Catering und Gastgeschenken. Dies ist aber sicherlich noch ausbaufähig, so Dr. Kühling, insbesondere für kleinere Unternehmen. Auch die Handwerkskammer bietet Unterstützung an, z. B. mit Gemeinschaftsständen bei Messen, ergänzte Herr Sommer. Allerdings sei der Aufwand gerade für Kleinstunternehmen selten zu stemmen. Diese könnten es sich nicht leisten, den Betrieb mehrere Tage ruhen zu lassen, um auf der Messe präsent zu sein.
Der Mittelteil der Veranstaltung wurde vom Vortrag von Dr. Matthias Henninger, Geschäftsführer des „Geo-Naturpark Saale-Unstrut-Triasland e. V.“, bestimmt. Der Verein ist Träger eines der sechs Großschutzgebiete nach Landesrecht Sachsen-Anhalts. Der Naturpark umfasst 75 % des gesamten Artenspektrums der Flora des Bundeslandes mit einer großen Vielfalt an Ökosystemen und Kulturlandschaften. Erläutert wurde der Unterschied zum Biosphärenreservat, der sich auch in der finanziellen Ausstattung widerspiegelt. Maßgeblich ist jedoch, dass ein Naturpark neben dem Erhalt einer hohen Biodiversität auch das Ziel hat, dem Menschen als Erholungsraum zu dienen.
Als erster ostdeutscher Naturpark gegründet, ist der Geo-Naturpark Saale-Unstrut-Triasland kontinuierlich gewachsen, wobei sich konkrete Projekte an bestimmten Schlüsselarten orientieren, etwa den „Flagships“ Orchideen. Als tragende Säulen werden der Artenschutz und die Landschaftspflege gesehen, die mit Umweltbildung, Tourismus und Regionalentwicklung verknüpft werden. Dabei wird trotz Zielkonflikten auf die Einbindung der lokalen Bevölkerung gesetzt. Da es sich um eine alte Kulturlandschaft handelt, kann auch die extensive Nutzung Naturschutz sein, alternativ müssen Pflegemaßnahmen kontinuierlich gewährleistet werden.
Anhand eines Praxisbeispiels, dem Laichhabitat Borgau, erläuterte Dr. Henninger ausführlich die Projektkonzeption. Von der Idee, über die Entwicklung, Umsetzung, Finanzierung, Zielstellung, Evaluierung bis hin zur nachhaltigen Verstetigung zeigte der Referent auf, was der Verein leisten kann und vor welchen Herausforderungen er steht. Dazu zählen die ausreichende Finanzierung für Pflegemaßnahmen, das Risiko von Rückforderungen durch die Widersprüchlichkeit mancher Rechtsvorschriften sowie die zeitintensive Beantragung von Fördermitteln mit sehr komplexen Förderbedingungen. Ein weiteres Problem sieht er darin, dass z. B. Arten, die durch eine bestimmte Nutzung angelockt werden, plötzlich unter Schutz gestellt werden, was nicht dem natürlichen Prozess entspricht.
Bei einem Kuchenbuffet der oben erwähnten Bäckerei „Sommerwerk“ wurde über diese Herausforderungen ebenso lebhaft diskutiert wie über den Aufbau klimaresistenter Laubwälder nach mediterranem Vorbild. Kritische Stimmen gab es zur Sinnhaftigkeit von Streuobstwiesen für die Biodiversität. Diese werden nach dem Anlegen meist nicht weiter gepflegt, weil die Förderung ausgelaufen ist, verlieren aber dadurch ihren Nutzen.
Nach der Pause folgten zwei weitere Unternehmensvorstellungen.
Ulrike Kappis vom Schloss Zingst erläuterte das Vorhaben, das nahe gelegene Schloss nicht etwa in ein neues Neuschwanstein zu verwandeln, sondern stattdessen ein nachhaltiges Nutzungskonzept zu entwickeln. Ziel ist es, hier als Vorbild zu wirken, um andere Akteure mitzuziehen. Mit Blick auf den Erhalt der Biodiversität komme dem ehemals verwilderten Schlosspark eine Schlüsselrolle zu. Hier kooperiert Frau Kappis beispielsweise mit dem Projekt „InsektA“ (Integrativer Insektenschutz – Aktionsnetzwerk Mitteldeutschland), um das Gelände insektenfreundlich zu gestalten. Besucher und Gäste können durch zahlreiche Aktivitäten die artenreiche Kulturlandschaft erleben und Informationen zur Biodiversität und ihren Schutz mitnehmen.
Einen ähnlichen Ansatz möchte die Nebraer Wohnungsgesellschaft, vertreten durch Geschäftsführerin Elke Arndt, auf ihren 20.000 Quadratmetern Grünfläche etablieren. Die Anlage von Blühwiesen, die einen geringeren Mähturnus erfordern, stößt jedoch immer wieder auf den Widerstand ihrer Mieter, die solche als ungepflegten Zustand wahrnehmen. Eine weitere Schwierigkeit ist das Anlegen von Beeten in Eigenregie der Mieter. So wünschenswert dies ist und das Wohnumfeld bereichert, so wichtig ist letztlich eine dauerhafte Pflege, die z. B. bei Mieterwechsel nicht immer gewährleistet ist. Ein wertvoller Hinweis aus dem Publikum war, dass der Chemiepark Bitterfeld-Wolfen die anfängliche Skepsis abgebaut hat, indem Hinweisschilder aufgestellt wurden und ein Streifen von einem Quadratmeter neben den Wegen kurzgehalten wird. Dadurch ist erkennbar, dass die Wiesen weiterhin gepflegt werden.
Im Anschluss an die Vorträge fand eine spannende Führung durch den Bienenlehrgarten statt. Dies rundete das Netzwerktreffen, das reich an Informationen und Austausch war, in gelungener Weise ab.